Achill Island

Achill Island liegt im County Mayo im Nordwesten Irlands. Der Atlantik, die Strände, Berge und Klippen sind für Outdoor-Liebhaber ein Paradies.

Hier kann man Surfen, Windsurfen, Kitesurfen, Wandern, Golfen, Angeln, die Seele baumeln lassen

Aber auch Indoor-Liebhaber kommen auf ihre Kosten, denn viele Pubs bieten neben leckerem Guinness und loderndem Kaminfeuer auch noch live Musik!

Es wird mucksmäuschen still im Irish Pub. Marty Joe schließt die Augen, konzentriert sich für drei Sekunden und stimmt mit fester, lauter Stimme ein Lied an.

Es ist ein Lied über einen Mann, der ein junges Mädchen kennen lernt. Einige Stammgäste spornen ihn laut an, als wollten sie das Lied vorantreiben. „Und dann, Marty? Was passiert dann?“ Marty erzählt die Geschichte. Strophe für Strophe. Beim Refrain singen alle mit. Die letzte Strophe gehört wieder dem Sänger allein. Applaus durchbricht die Stille. „Gut gemacht, Marty!“ rufen sie ihm zu. „Hast wohl heimlich geübt!“

Marty genießt die Aufmerksamkeit, die ihm für ein paar Minuten zu teil wird. Seine rechte Hand hält er schüchtern, fast abwehrend hoch, und mit der anderen verdeckt den zahnlos grinsenden Mund. Er nimmt einen Schluck Bier zur Belohnung und wendet sich dann wieder den Sitznachbarn zu. So, als sei nichts gewesen.

Marty Joe ist Jahrgang 1918 und gehört praktisch zum Inventar dieses Pubs.

Er hat seinen Stammplatz und ein Repertoire von Liedern, das von den Stammgästen gern abgefordert wird. Noch gibt es sie in Irland, diese „singsongs“, jene Abende im Pub, an denen jeder, der möchte, singen oder rezitieren darf.

Aber sie wurden in den letzten Jahren immer weniger. Es scheint, dass mit den alten Menschen auch diese Tradition verschwindet. Viele bedauern das, denn Musik und Gesang war und ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens auf Achill Island.

Video: Achill Island

Die erste Band in Achill wurde anlässlich des St. Patrick’s Day im Jahre 1882 in Dooagh gegründet. Die Mitglieder spielten „fife and drum“, eine Art Querflöte und eine Trommel, und marschierten von ihrem Heimatdorf zur Kirche ins fünf Kilometer entfernte Dookinella. Die Dorfbewohner folgten der Band zum Gottesdienst. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nur, dass heute der Dudelsack die „fife“ ersetzt hat. Und dass es heute nicht mehr nur eine sondern fünf Dudelsackbands auf Achill gibt. Wer am Morgen des St. Patrick’s Day den Kopf aus der Tür oder aus dem Fenster steckt, wird sie hören, bevor er sie sieht. Und auch lange, nachdem die Bandmitglieder ihre Dudelsäcke und Trommeln eingepackt haben, werden die Melodien in den Köpfen der Zuhörer weiter klingen.

„Traditional music here tonight“ steht auf einem großen grünen Schild im Fenster eines Pubs in Keel. Wer hier Musik hören möchte, sollte spät kommen. Erst gegen 22 Uhr holen Shay, Dermot, Dara und Michael ihre Instrumente aus dem Hinterzimmer des Pubs. Sie wohnen in Keel und treffen sich gern zum gemeinsamen Musizieren im Pub. Die vier Männer sind die Stammbesetzung. Sie singen und spielen Gitarre, Mandoline, Flöten in verschiedenen Größen, irischen Dudelsack, den man im Sitzen spielt, und Bodhran (Rahmentrommel). Manchmal, besonders an Wochenenden im Sommer, gesellen sich Musiker aus anderen Regionen Irlands, aus Deutschland oder sogar aus Japan dazu. Oft wird die Runde richtig groß.

Es ist halb elf. Dermot macht den Sound-Check: „Test one two… 8 Guinness, 2 Carlsberg, and a bottle of Coke, please, Martin!“ Während die Pubgäste noch über diese ungewöhnliche Massenbestellung lachen, beginnen die Musiker mit einem flotten Reel. Es folgen Jigs, Hornpipes und Polkas. Sie spielen bis halb eins, dann stöpseln sie die Mikrophone aus. Oft geht es allerdings „unverstärkt“ weiter, und zwar so lange, bis der Wirt die Vorhänge aufzieht, alle Lichter einschaltet und die letzten Gäste freundlich aber unmissverständlich zum Gehen auffordert.

Musikalisch sind auf Achill viele. Sie erlernten als Kinder oder Jugendliche ein Instrument. Einige von ihnen möchten ihre Liebe zur Musik weiter geben und unterrichten als Lehrer in einer einwöchigen Musiklehrveranstaltung im Sommer. Diese „Scoil Acla“, wörtlich übersetzt „Schule Achill“, wurde 1912 gegründet, um das Gälische lebendig zu erhalten und das Dudelsackspielen zu verbreiten. Mittlerweile wird hier mehr als nur Dudelsack gelehrt: Geige, Akkordeon, Banjo, Tin Whistle, Querflöte, Harfe, Gesang, Tanz und sogar Schreiben. Und es sind beileibe nicht nur Iren, die die Kurse belegen, sondern auch Deutsche, Amerikaner oder Asiaten!

Am Ende der einwöchigen Musikkurse steht der krönende Abschluss: das Vorspielen! Auf einem Parkplatz vor dem Pub in Dooagh steht ein LKW. Die Plane ist auf einer Breitseite hochgeschlagen und eine wackelige Treppe führt hoch zu der „Bühne“. Auf der Bühne werden Mikrophone aufgestellt. Vor der Bühne sammeln sich Zuschauer, die in kleinen Gruppen zusammen stehen und entspannt plaudern. Viele Eltern sind dabei. Hinter der Bühne laufen ihre Kinder aufgeregt mit ihren Instrumenten herum. Manch einem erwachsenen Teilnehmer ist es peinlich, so öffentlich aufzutreten. Annika aus Hamburg will allerdings auf alle Fälle auf die Bühne und sieht es ganz pragmatisch. „Klar, ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Aber die Passagen, die ich nicht kann, flöte ich halt nicht mit. Merkt ja keiner!“

Dann tritt ihr Lehrer John auf die Bühne und bittet seine fortgeschrittenen Flöten-Schüler hoch. It’s Show time! Sie spielen 3 Stücke und ernten viel Applaus. Annikas Adrenalinspiegel sinkt wieder auf „normal Null.“ Es ist fünf Uhr nachmittags. Jetzt noch ein kleiner Spaziergang am Atlantik, dann Essen kochen in der Jugendherberge, und dann hat sie sich ein Bierchen verdient. Natürlich bei Musik und Gesang. „Marty, hast du noch ein Lied für uns? Komm, sing’ „the Rocks of Bawn“ für uns!“ Und Marty schließt die Augen und holt tief Luft.

Scoil Acla findet im Juli/August statt und ist im Internet zu finden unter: www.scoilacla.com

Achill Island im Internet: www.achilltourism.com

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