Keltische Schriftzeichen ?

Ogham - Eine kleine Einführung in Irlands alte Schrift. Wenn man den durchschnittlichen Irlandfreund nach "Ogham" fragt, erntet man einen mehr oder minder verwirrten Blick, bei dem einen oder anderen vielleicht die Frage nach einem Rasiermesser.

Was ist Ogham?

Nur wenige können das Wort richtig einordnen. Und selbst hier überschlagen sich die falschen oder zumindest phantasievollen Antworten von “das irische Alphabet” über “die heidnische keltische Schrift” bis hin zu “die Runen der Grünen Insel”, keltische Symbole oder gar keltische Schriftzeichen.

Vermeiden Sie solche Fauxpas in Zukunft … lassen Sie uns Ihnen Ogham etwas näherbringen.

Um es ganz einfach zu formulieren: Ogham ist ein früher in Irland benutztes Schriftsystem.

Was ist es nicht? Es ist kein Alphabet – Alphabete beginnen mit Alpha, Beta … eben ein klassisch geordnetes ABC, was Ogham nicht ist. Es ist nicht sicher “keltisch” (somit eben keine keltischen Symbole oder gar keltische Schriftzeichen) und wahrscheinlich nicht besonders alt – Ogham ist erstmals sicher nachweisbar im 5. Jahrhundert, als Irland schon anderen Einflüssen unterworfen war. Heidnisch? Wenn man vergisst, dass Ogham auch auf christlichen Monumenten verwendet wurde, dann könnte man das vielleicht sagen.

Ist Ogham denn wenigstens “Irisch”? Naja … die Inschriften sind in Gälisch gehalten, und Ogham taucht ausser in Irland (in Irisch) in Wales, auf der Isle of Man und in Südwestengland auf, in Schottland allerdings auch ohne die Verwendung der irischen Sprache. Und wie ist das mit den “irischen Runen”? Bitte nicht – Runen sind ein komplett anderes, nordeuropäisches Schriftsystem. Die einzige Verwandschaft besteht in der Überlieferung auf Stein und der durch dieses Medium mitbedingten graphischen Gestaltung.

Ach so – das mit dem dem Rasiermesser war Occam!

Video: Ogham

Woher kommt Ogham?

Wahrscheinlich aus Irland … mehr wissen wir wirklich nicht. Der Mythologie zufolge soll der Halbgott Ogma, ein Krieger und Literat der Tuatha Dé Danann, das Schriftsystem erfunden haben. Manche Forscher haben eine irische Version der skandinavischen Runen in Ogham gesehen, manche Varianten des Etruskischen oder Griechischen.

Wahrscheinlicher (wenn auch weitaus weniger prickelnd) ist allerdings, dass es sich schlicht um eine irische Darstellung des lateinischen Alphabets handelt. Dafür spricht die Existenz eines Ogham-Symbols für den Buchstaben Q, den es im Irischen eigentlich nicht gab (auch V und Z sind nicht Irisch, können jedoch immerhin als F und SS interpretiert werden).

Warum sich irgendwann jemand hingesetzt hat und meinte, ein eigenes Symbolsystem für eine schon bestehende Schriftsprache erfinden zu müssen, das wird wohl für immer im Nebel der Geschichte verborgen bleiben. Wie auch die Bedeutung der Annotationen im “Book of Ballymote”, die von “Fionns Rad” und dem “Flussstrand von Fechertne” sprechen und aus Ogham gebildete Diagramme zeigen. Magie?

Auch wenn Ogham nie ganz vergessen war (es gibt mindestens einen Grabstein aus dem 19. Jahrhundert mit diesen Symbolen!), so wurde es erst durch Robert Graves’ “The White Goddess” wieder populärer.

Aus unserer Zeit stammen auch die gängigsten Interpretationen im okkulten Bereich. Noch in den 1930ern kam etwa Macalister auf den Gedanken, dass Ogham die Geheimsprache “Druidischer Freimaurer” sei (für einen angesehenen Archäologen eine nicht alltägliche Theorie) und O’Boyle formulierte in den 1980ern seine ähnlich gewagte Theorie, dass man Ogham am besten als Harfennotation erklären könne. Lassen wir solche Ideen aber erst einmal ruhen …

Wie ist Ogham aufgebaut?

Mathematisch einfach, wenn man es so sagen will! Es ist keine Letternschrift, sondern eher ein Zählsystem – als ob wir statt “Bier” schreiben würden “2. 9. 5. 18.”, wobei die Nummern hier die Plazierung im lateinischen Alphabet beschreiben. Dass so ein auf den ersten Blick kompliziertes System letztlich nicht komplizierter als jede andere gemalte, geritzte oder gemeisselte Lautdarstellung (Schrift) ist, sei nur am Rande erwähnt. Ogham besitzt vier Fünfergruppen, die insgesamt zwanzig Laute repräsentieren. In dieser Hinsicht entspricht dieses System unserem Alphabet, nur dass weniger und zum Teil andere Laute dargestellt werden!

Dennoch wurde Ogham wahrscheinlich nie als literarisches Hilfsmittel verbreitet verwendet, die erhaltenen Zeugnisse sind durchweg in Stein geritzt und haben die Eloquenz von einfachen Grabmalen – es wird der jeweilige Name, dazu meist der Name des Vaters und oft noch eine weitere Beschreibung (meist der Stamm) verwendet, mehr nicht. Ein gutes Beispiel ist ein Ogham-Stein in Arraglen (Kerry), der neben einem Tatzenkreuz die Inschrift “Rónán der Priester Sohn des Comgán” trägt. Insgesamt wohl kaum Material für den Literatur-Nobelpreis!

Für die Forschung sind die Ogham-Steine daher meist von genealogischem Interesse und (trotz der kurzen Inschriften) ein wichtiges Indiz für liguistische Veränderungen der Zeit. Sie stellen letztlich die einzigen Originalzeugnisse des “Primitive Irish” dar! In späteren Manuskripten wurde Ogham übrigens praktischerweise erhalten und übersetzt, so im etwa 1390 entstandenen “Book of Ballymote”, man brauchte also keinen irischen “Rosetta Stone”.

Aus solchen Quellen stammen auch die Namen, die den einzelnen Zeichen gegeben wurden – Namen, die sich der Lautentsprechung analog auf Pflanzen beziehen und wohl auch zum Teil auf eine magisch-schamanistische Verwendung der Zeichen hindeuten (könnten – konkrete Beweise fehlen, die dazu bekannten Informationen sind späteren Datums und daher nicht gesichert). So ist dann Ogham in diesem Bereich den Runen ähnlich, die auch sowohl als Lautentsprechung als auch als Symbol genutzt werden konnten.

Mit Ogham weissagen …?

Kein Problem! Schnappen Sie sich ein geeignetes Set von Ogham-Symbolen (in Kiesel geritzt, auf Holz gemalt oder gebrannt, auf Karten gezeichnet), denken Sie an Ihre Frage oder Ihr Problem und ziehen Sie ein oder drei Symbole. Bei einem Symbol meditieren Sie eben über dieses und dieses allein. Ziehen Sie drei Symbole, repräsentiert das erste die Vergangenheit, das zweite die Gegenwart und das dritte die Zukunft (oder besser: eine mögliche Zukunft).

Beachten Sie allerdings, dass Ogham mit gerde einmal zwanzig Symbolen fast jedem anderen “Werkzeug” gegenüber sehr eingeschränkt ist – schon die Runen haben mehr Auswahl, das I Ging auch und das Tarot bietet knapp viermal soviel Karten. Ogham ist sehr eingeschränkt in der Bandbreite der möglichen Ergebnisse!

Widerstehen Sie auch der Versuchung, Ihren Namen in Ogham zu interpretieren … bei mir käme etwa heraus “Ein Neustart, sei tapfer, fliesse mit der universellen Energie, vertrau Deiner inneren Stimme und Deiner Kraft.” Wow! Fast so genau wie das Horoskop in der Bild-Zeitung am Morgen!

Mit Ogham schreiben …?

Auch kein Problem, wenn Sie sich bewusst sind, dass Ihnen einige Buchstaben fehlen werden. Das mag in den Zeiten der SMS-Verstümmelungen auch kein Problem mehr sein. Wenn Sie also ohne J, K, W, X, Y, Z und eventuell P auskommen, dann nur zu. Gross- und Kleinschreibung und Satzzeichen sind ohenhin nur grammatischer Schnickschnack! Jazzxylophonisten, Jockeys und ähnliche Zeitgenossen sollten jedoch eher Abstand von Ogham nehmen. Übrigens wird Ogham allgemein geschrieben und gelesen wie ein Baum wächst – von unten nach oben!

Ogham heute

Kein Mensch verwendet Ogham heute ernsthaft als Schriftsprache – so weit gingen nicht einmal die Pläne der konservativsten Keltologen, als man die “Renaissance” des Irischen plante. Millionen durch das ungeliebte Pflichtfach Irisch und Peig Sayers Geschichten sich mühsam durchhangelnde Schülerinnen und Schüler dürften dafür ein spontanes Dankgebet sagen! Das Hauptinteresse an Ogham findet man heute in den Gruppen der Linguisten und der Esoteriker. Erstere studieren mit Faszination diese Relikte des alten Irisch, letztere fühlen sich bei der Zukunftsschau den alten Iren verbunden.

Die Verwendung von Ogham in der Kunst ist heute allerdings durchaus nicht selten – Amulette und Schmuckstücke mit den Symbolen sind auch im Irish-Shop erhältlich, ebenso kalligraphischer Wandschmuck.

Ogham in der Übersicht

Hier finden Sie nun eine Komplettübersicht zu den Ogham-Symbolen, auch “fid” genannt, die Ihnen die entsprechenden Buchstaben des lateinischen Alphabets nennt, den irischen (und deutschen) Namen des Symbols und letztlich eine Bedeutung, wie sie in der modernen “Keltischen Mystik” geläufig ist.

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